Die Verneinung im Mittelniederländischen
Zweigliedrige Verneinung
Die gebräuchlichste Negation im Mittelniederländischen ist zweigliedrig und wird aus den Elementen en / ne und einem anderen verneinenden Wort wie niet ("nicht"), niemant ("niemand"), geen ("kein") und dergleichen gebildet, wobei das erste Glied immer direkt der finiten Verbform vorangeht.
ic en sal niet moghen gaen ("Ich werde nicht gehen dürfen.")
dat en es geen grave ("Das ist kein Graf.")
Daneben kann ein Satz auch mit nur einem dieser beiden Elemente negiert werden. Die eingliedrige Verneinung mit der Partikel en / ne vor der finiten Verbform kommt im Mittelniederländischen nur noch in speziellen Fällen vor. Sie ist die ursprüngliche Form, die im Altniederländischen die einzige Möglichkeit zur Negation darstellte. Diese verneinende Partikel hat im Laufe der Zeit allerdings ihre Kraft verloren und wurde dann mit einem negativen Umstandswort (Adverb) oder Pronomen verstärkt, welches die Funktion der Negation später ganz übernommen hat. Eine ähnliche Entwicklung hat sich auch in anderen Indogermanischen Sprachen vollzogen.
Für das Niederländischen kann man diese Entwicklung also wie folgt zusammenfassen:
ANL en / ne MNL en / ne + niet, geen, niemand,.. NNL niet, geen, niemand,...
Diese negativen Adverbien und Pronomen, die im modernen Niederländischen zur Negation eingesetzt werden, sind durch eine proklitische Verbindung mit dem verneinenden Wort ne entstanden:
ne + iet > niet
ne + emmer > nemmer
ne + ooit > nooit
Neben diesen deutlich negativen Wörtern sind auch Wörter wie maer ("nur"), cume und nauwe (beide: "kaum") mit einem negativen Werten besetzt. Sie können dann auch gemeinsam mit en / ne auftreten:
Die ne had mer één coe ("Diese hatte nur eine Kuh.")
Außerdem kann ein negierendes Wort in folgenden Fällen auftreten:
- Nebensätze die mit eer ("eher,bevor") beginnen;
Eer ic noit dit werc bestont ("Bevor ich je mit dieser Arbeit begann")
- Nebensätze, die abhängig sind von einem Komparativ oder Superlativ;
Die scoonste die nie man sach ("Das Schönste, das je ein Mensch gesehen hat")
- Sätze, die einen negierenden Hintergedanken haben:
Hoe dul es hi ende wel sot die mannen geloeft nembermere
("Wie dumm und verrückt ist er, der Männern glaubt". Der verneinende Hintergedanke ist hierbei: "Man darf Männern nie glauben")
Doppelte Verneinung
Um einer Verwechslung mit der zweigliedrigen Verneinung zu entgehen, scheint es ratsam den Terminus doppelte Verneinung Sätzen vorzubehalten, in denen zwei oder mehr negative Adverben oder Pronomen nebeneinander auftreten, wie in folgendem Beispiel:
Daerne quam oec nie geen man,... ("Da kam auch niemals niemand...")Entgegen der Regel der Logik heben sich diese negativen Elemente jedoch nicht gegenseitig auf; sie verstärken sich sogar. Im Gegensatz zum modernen Niederländischen, welches solche Konstruktionen nur noch in der gesprochenen Sprache akzeptiert, traf man dopppelte Verneinung im Mittelniederländischen auch in der Schriftsprache an.
dan (= dat en) was niewerinc noit vernomen... ("das wurde nirgends nie gesehen...")
Für eine Übersicht über das Niederländische vom Mittelalter bis zum Goldenen Zeitalter kann Mooijaart & van der Wal (2008) zu Rate gezogen werden. Einen praktische Kurs Mittelniederländisch bieten Hogenhout-Mulder (1983) und De Korne & Rinkel (1987). Auch online steht ein Kurs (auf Niederländisch) zur Verfügung.
Außerdem findet man unter anderem bei van den Toorn (1997), van der Wal (1992 [2008]), Van Loey (1980) und van der Sijs (2005) Informationen über das Mittelniederländische.
Querverweise
Der Satzbau des MittelniederländischenDas Kasussystem des Mittelniederländischen
Von Mittelniederländisch zu Neuniederländisch