Struktur und Geschichte des Niederländischen Eine Einführung in die niederländische Sprachwissenschaft

Übersee-Niederländisch

Spuren des Niederländischen sind auch außerhalb Europas zu finden. Ab zirka 1600 schufen die VOC und die WIC durch die Gründung von Handelsposten die Grundlage für eine Verbreitung des Niederländischen auf anderen Kontinenten. Ab dem neunzehnten Jahrhundert nahmen große Gruppen niederländischer Auswanderer ihre Sprache mit in die 'neue Welt'.

Niederländische Kolonien und Handelsposten
Karte: Albers (CC BY-SA 3.0)

Außerhalb Europas ist Niederländisch die offizielle Sprache von Surinam und von den Niederländischen Antillen und Aruba.

Die Expansion der Niederlande als Handelsmacht und Kolonialmacht begann im siebzehnten Jahrhundert, als die VOC (Vereinigte Ostindische Kompanie) und später die WIC (Westindische Kompanie) Handelsniederlassungen im Osten (Niederländisch - Ostindien, Süd-Afrika, Japan) und im Westen (dem karibischen Gebiet, Süd- und Nordamerika und an der Küste von Westafrika) gründeten. Die VOC beziehungsweise die WIC unterhielten im Lauf des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts unter anderem Handelsposten in Nordamerika (Nieuw Amsterdam, das heutige New York), am Berbice-Fluss in Guyana, in Brasilien, am Kap der Guten Hoffnung, an der afrikanischen Westküste, im heutigen Sri Lanka, in Japan und im indonesischen Archipel.
Unter niederländische Verwaltung kamen Niederländisch - Ostindien, Surinam und einige Inseln in der Karibik. Niederländisch - Ostindien war bis 1949 eine niederländische Kolonie, Surinam stand von 1645 bis 1976 unter niederländischer Verwaltung. Die Niederländischen Antillen (die karibischen Inseln Saba, St. Maarten, St. Eustatius, Bonaire und Curaçao) und die Insel Aruba sind noch immer Teil des Königreichs der Niederlande.
In einigen Gebieten sind bis heute Spuren des Niederländischen zu finden.

Gegen welches Gebiet wurde im 17. Jahrhundert die Kolonie Nieuw Amsterdam eingetauscht? Gegen das heutige Surinam.

Niederländische Spuren in Nordamerika

Einige Niederländische Lehnwörter, beziehungsweise Lehnübersetzungen, die im (amerikanischen) Englischen auf den Einfluss niederländischer Emigranten zurückgehen:
  • boss (baas)
  • waffle (wafel)
  • cookie (koekje/koekie)
  • pancake (pannekoek)
  • pottybacker (pottenbakker)
  • stoop (stoep)
  • snooper (snoeper)

Beispiele aus De Vries (1994: 255)

Noch heute wird in einigen Gebieten der Vereinigten Staaten Niederländisch gesprochen. Orte mit einem großen Anteil an Bewohnern mit niederländischen Vorfahren sind Pella und Orange City im Nordwesten des Staates Iowa, Holland, Overisel, Drenthe, Graafschap und Vriesland in Michigan und Friesland und Little Chute in Wisconsin. Von den 8000 Einwohnern der Stadt Pella sprechen heute noch ungefähr 200 Niederländisch.

Niederländische Ortsnamen im Staat Michigan
Karte: Clockwork Orange (CC BY-SA 3.0)

Das amerikanische Niederländisch, oft auch 'Iowa Dutch' genannt, ist in seiner Existenz stark bedroht. Der Sprachwechsel hat schon vor langer Zeit stattgefunden, die jüngere Generation spricht kein Niederländisch mehr, und in den meisten Sprachgebrauchssituationen überwiegt das Englische. Außerdem spricht man von Sprachverlust: das amerikanische Niederländisch ist äußerst heterogen, die Grammatik und Phonologie ist stark vom Englischen beeinflusst, nur der Wortschatz ist noch zu einem ansehnlichen Teil Niederländisch.

In welcher amerikanischen Stadt wird heute noch von ca. 200 Menschen eine (Art von) Niederländisch gesprochen? In Pella, Iowa.

Fragment 'Iowa Dutch': Tony Stravers, geboren in Pella, Iowa (seine Eltern sind Niederländer, die vor dem zweiten Weltkrieg nach Amerika emigrierten)

Iowa Dutch:

Dat was die eerste taal dat ik leerd als ik klein kind was and toen mijn oudste broer en hij begon naar school en hij wist niet genoeg Engels mijn vader en moeder zeg wel(l) da's nie goed hij moet meer Engels leren. Toen mijn (my?) jongere broers en zusters weet heel weinig Engels maar da was de eerste taal dat wij leerden wij waren nieuwsgierig met de Hollandse taal en we hebben wat geleerd en toen hebben mijn vrouw ze (?) oom en tante hier wat zes maanden geweest na de oorlog en ze konden heel (?) geen Engels en wij wil(?) graag met die mensen spreken en we hebben daar dan ‘n hoop Hollands geleerd.

Standard-Niederländisch:

Het was de eerste taal die ik als kind geleerd heb en toen mijn oudste broer naar school ging en hij niet genoeg Engels kende zeiden mijn vader en mijn moeder 'dat is niet goed, hij moet meer Engels leren'. Mijn jongere broers en zussen kenden toen weinig Engels. Maar het (het Nederlands?) was de eerste taal die we geleerd hebben. Wij waren nieuwsgierig naar het Hollands en wij hebben het een beetje geleerd. Na de oorlog hadden wij de oom en de tante van mijn vrouw voor zes maanden op bezoek en ze spraken nauwelijks Engels en wij wilden graag met ze spreken en wij hebben toen heel veel Hollands geleerd.

Deutsch:

Das war die erste Sprache, die ich als Kind gelernt habe und als mein ältester Bruder zur Schule ging und er nicht genug Englisch konnte, sagten mein Vater und meine Mutter 'das ist nicht gut, er muss mehr Englisch lernen'. Meine jüngeren Brüder und Schwestern konnten damals wenig Englisch. Aber es (das Niederländische?) war die erste Sprache die wir gelernt haben. Wie waren neugierig auf das Holländische und wir haben es ein bisschen gelernt. Nach dem Krieg hatten wir den Onkel und die Tante meiner Frau für sechs Monate zu Besuch und sie sprachen kaum Englisch und wir wollten gerne mit ihnen sprechen und wir haben damals sehr viel Holländisch gelernt.

aus: Het verhaal van een taal (Fernsehreihe), Beitrag über 'Pella Dutch'

Bericht eines Vertreters der Westindischen Kompanie an die Generalstaaten über den Kauf der Insel Manna-hatta (1626):

Hooghe Moghende Heeren, Hier is ghisteren t’schip t’Wapen van Amsterdam aan gekomen ende is de 23e September uyt Nieu Nederlant gezeylt uyt de Rivier Mauritius. Rapporteert dat ons volck daer kloec is ende vreedigh leven... Hebben t’Eylant Manhattes van de wilden gekoght voor de waerde van 60 gulden; is groot 11000 morgens.

Entnommen aus De Vries (1994: 266)

1626 kaufte die WIC dem örtlichen Indianerstamm für 60 Gulden die Insel Manna-hatta vor der nordamerikanischen Ostküste ab und gründete dort die Handelsniederlassung Nieuw-Amsterdam (Neu Amsterdam). 1664 musste der Gouverneur von Nieuw-Amsterdam, Peter Stuyvesant, die Kolonie an die Engländer übergeben. Im Austausch dafür erhielt die WIC das Gebiet des heutigen Surinams.

Im Lauf der Zeit hatte sich gezeigt, dass die Kolonie Nieuw-Amsterdam zu schwach war, um den umringenden englischen Siedlungen Stand halten zu können. Ackerbau und Fellhandel in Nordamerika waren für die WIC darüber hinaus bei weitem nicht so lukrativ wie Sklavenhandel und Zuckerplantagen im karibischen Gebiet. Surinam war daher für die Handelsmacht eine deutlich attraktivere Option.

Nach der Übergabe von Nieuw-Amsterdam an die Engländer zogen einige tausend niederländische Kolonisten ins Hinterland. Noch 1778 war das Niederländische an der amerikanischen Ostküste so wichtig, dass das erste Grundgesetz der gerade gegründeten Vereinigten Staaten ins Englische übersetzt wurde, um die Unterstützung durch die niederländischen Kolonisten zu sichern.

Es gibt einen ausführlichen Beitrag zu Nieuw Nederland bei Wikipedia.

Einige Ortsnamen zeugen noch von dieser frühen niederländischen Anwesenheit in Nordamerika: Brooklyn (ursprünglich ‘Breukelen’), Flushing (von ‘Vlissingen’), Harlem (‘Haarlem’), Long Island (‘Lange Eylandt’) und Rhode Island (‘Roode Eylant’).

Den Kolonisten folgten einige Jahrhunderte später die Immigranten. Im neunzehnten Jahrhundert emigrierten Niederländer vor allem aus religiösen Gründen nach Amerika. Sie verließen die Niederlande oft unter der Leitung eines Pfarrers und gründeten eigene Orte und Glaubensgemeinschaften in Amerika. Pfarrer Scholte und seine Anhänger gründeten zum Beispiel die Stadt Pella, Pfarrer Van Raalte ließ sich mit seiner Glaubensgemeinschaft in Holland, Michigan nieder.

Nach dem zweiten Weltkrieg verließen Niederländer vor allem aus ökonomischen Gründen und aus Mangel an Land und Wohnraum ihr Vaterland. Sie wurden dabei aktiv von der niederländischen Regierung unterstützt, die in der Emigration die einzige Lösung für die Überbevölkerung der Niederlande sah. Zwischen 1946 und 1969 emigrierten 465.000 Niederländer nach Kanada, in die Vereinigten Staaten, nach Australien, Neuseeland, Südafrika und Brasilien.

Downtown Holland in Michigan
Foto: Michigan Municipal League (CC BY-ND 2.0)

In einigen Gebieten gibt es noch immer kleine niederländischsprachige Gemeinschaften, wie zum Beispiel im amerikanischen Staat Iowa. Im allgemeinen geht jedoch aus Untersuchungen hervor, dass Niederländer im Vergleich zu anderen Emigrantengruppen wie Italienern und Griechen ihre Muttersprache am schnellsten gegen die Sprache des Gastlandes eintauschen. 57 Prozent der ersten Generation niederländischer Emigranten in Australien gaben ihre Muttersprache für das Englische auf, verglichen mit 4,3 Prozent der ersten Generation griechischer Emigranten.

Niederländisch in Südamerika

Auf dem südamerikanischen Kontinent ist Niederländisch bis heute die offizielle Sprache der Republik Surinam. Surinam hat ungefähr 400.000 Einwohner, zirka 100.000 beherrschen Niederländisch als zweite Sprache. Das in Surinam gesprochene Niederländisch kann als eigene Variante des Niederländischen betrachtet werden. Es ist in Wortschatz, Aussprache und Grammatik von den anderen in Surinam gesprochenen Sprachen beeinflusst, zum Beispiel dem Sranan Tongo (der Sprache der 'Kreolen', der Nachfahren von ehemaligen Sklaven, und übergreifenden Umgangssprache des Landes). Ein auffallendes Merkmal ist die Aussprache des /w/ als bilabialer Klang.

Typisch für den Wortschatz des surinamischen Niederländisch sind einerseits Wörter aus einer älteren Phase des Niederländischen und andererseits Neologismen: ein wasteil (Waschschüssel) ist in Surinam ein bekken, ein handkoffer ein valies und erf bedeutet 'tuin bij het huis' (Garten beim Haus); der niederländische pyjama ist dagegen ein slaappak und der niederländische roman ein verhaalboek. Typisch für das surinamische Niederländisch sind Lenhwörter oder Lehnübersetzungen zum Beispiel aus dem Englischen (iets korts für 'borrel', Englisch 'short drink') und dem (Sarnami) Hindi (roti ist ein Pfannkuchen mit herzhafter Füllung) aber vor allem aus dem Sranan (braf von Sranan brafu bedeutet 'soep' (Suppe)).

Im Bereich der Grammatik fallen folgende Gebrauchsweisen auf:

  • der Gebrauch von 'gaan' als Hilfsverb der Zukunft
    Shirley gaat kwaad zijn. (=Shirley zal kwaad zijn./Shirley wird böse sein.)
  • aktive Verbformen mit passiver Bedeutung
    Ik ga operatie doen. (=Ik zal geopereerd worden./Ich werde operiert werden.)
  • das Weglassen des Reflexivpronomens
    Hij verbeeldt dat hij kan voetballen. (=Hij verbeeldt zich dat hij kan voetballen./Er bildet sich ein, dass er Fußball spielen kann)
  • der transitive Gebrauch intransitiver Verben
    iemand schreeuwen (= tegen iemand schreeuwen/jemanden anschreien)

Charakteristisch für die Aussprache des surinamischen Niederländisch sind ein bilabiales w (mit beiden Lippen gesprochen), ein Zungenspitzen - r (ein rollendes r) und keine Diphthongierung der langen Vokale [e:] en [o:] wie (im Norden der) Niederlande.

Die Beispiele stammen aus De Vries (1994: 287-91) und De Ruiter (1991: 190-94).

Sranan Tongo: aus dem Niederländischen entlehnte Worte
kamra - kamer (Zimmer)
kantoro - kantoor (Büro)
kasi - kaas, kast (Schrank)
kerki - kerk (Kirche)
klari - klaar, gereed (fertig)
komki - kom, kommetje (Schüssel)
kopki - kopje (Tasse)
kotoygi - getuige (Zeuge)
kowsu - sok, kous (Socken, Strumpf)
krompu - klomp (Holzschuh)
kroypu - kruipen (kriechen)
kumakoysi - toilet ('gemakhuisje') (WC)
kumakriki - gemakkelijk (leicht)
kweki - kweken, opvoeden (erziehen)

aus: Sordam/Eersel, 1985)

Das surinamische Niederländisch ist keine deutlich abzugrenzende Sprachvarietät. Man kann eher von einem Kontinuum sprechen mit an einem Ende einer stark von anderen Sprachen beeinflussten Variante und am andere Ende einer Variante, die ziemlich nah am Standardniederländischen liegt.
Das Sranan Tongo ist eine auf dem Englischen basierende Kreolsprache, in der auch niederländische Lehnwörter zu finden sind. Das Sranan Tongo Wort für 'gemakkelijk' ist kumakriki, kumakoysi bedeutet 'WC' und geht zurück auf das archaische 'gemakhuisje'.
Entlang dem Berbice–Fluss, in der heutigen Republik Guyana, entwickelte sich im siebzehnten Jahrhundert eine 'echte' niederländische Pidginsprache (und spätere Kreolsprache) für die Kommunikation zwischen Indianern, afrikanischen Sklaven und niederländischen Plantagenarbeitern. Dieses 'Berbice-Dutch' ist inzwischen nahezu ausgestorben.

Ungefähr 1630 eroberte die WIC Recife im heutigen Brasilien, zwischen 1637 und 1644 wurde ein kleines Gebiet im Nordosten von Brasilien von Prinz Maurits von Nassau verwaltet. Das hauptsächliche Ziel der WIC war die Kontrolle des Zuckerhandels in diesem Gebiet. Das niederländische Intermezzo in Brasilien dauerte jedoch nicht lange, 1656 wurden die Niederländer von den Portugiesen vertrieben. Erst im 20. Jahrhundert entstanden wieder niederländische Niederlassungen in Brasilien, als Niederländer im Rahmen der großen Nachkriegsemigrationswelle die Orte Holambra (1948) und Castrolanda (1951) gründeten.

Das Gebiet entlang dem Berbice-Fluss im heutigen Guyana nahm die WIC im späten siebzehnten Jahrhundert in Beschlag. Gewinn machte die Kompanie durch Handel mit tropischen Produkten und die 'Einfuhr' von Sklaven aus Afrika. Die Ausbeutung endete für die Niederlande definitiv 1796, als die Engländer die Verwaltung des Berbice-Gebietes übernahmen. Die Kreolsprache Berbice Dutch war die Kontaktsprache der Region, sie ist heute jedoch so gut wie ausgestorben. Die heutige Verkehrsprache in Guyana ist Englisch. Dass das Gebiet entlang dem Berbice ein für Europäer ungesundes Klima hat, davon zeugt der niederländische Ausdruck 'naar de barbiesjes', was so viel heißt wie 'kaputt, verloren'.

Das Gebiet des heutigen Surinams erhielt die WIC 1667 im Austausch für die Kolonie Nieuw-Amsterdam (das heutige New York). Zu dieser Zeit war in Surinam schon eine Pidginsprache im Gebrauch, die aus dem Kontakt zwischen englischen Vertragsarbeitern und den afrikanischen Sklaven der englischen Plantagenbesitzer entstanden war. Unter niederländischer Verwaltung wurden neue Sklaven aus Afrika eingeführt, die in Sklavendepots an der afrikanischen Westküste eine portugiesische Pidginsprache gelernt hatten. Aus dieser Kommunikationssituation entwickelte sich das Sranan Tongo (andere Bezeichnungen waren 'Neger Engels' und 'Takitaki'), das bis heute die Umgangssprache der Kreolen, der Nachfahren der ehemaligen Sklaven, ist und darüber hinaus als übergreifende Umgangssprache von Surinam fungiert.

Sklaven, die von den niederländischen Plantagen flüchten konnten, zogen ins Landesinnere. Aus ihrer auf dem Portugiesischen basierenden Pidginsprache entstanden die heutigen surinamischen Sprachen Saramakkan und Aukan.

Umgangssprachen in Surinam:
Anzahl Sprecher

(auf Basis von: De Vries, 1993)
Sranan Tongo 300.000
Sarnami Hindi 150.000
Javanisch 55-60.000
Saramakkan (Buschnegersprache) 15-20.000
Aukan (Buschnegersprache) 15-20.000
Chinesisch 6.000
Carib (Indianersprache) 80.000
Kwinti (Buschnegersprache) 2-3.000
Arawak (Indianersprache) 1.000-2.000
Boni (Buschnegersprache) +/- 1.000
Matawari (Buschnegersprache) +/- 1.000
Paramaccan +/- 1.000
Trio (Indianersprache) 1.000
Wayana 650

Niederländisch war de facto die offizielle Sprache des Gebiets, und es war die Sprache der weißen Elite. Sklaven war es verboten, Niederländisch zu sprechen, ganz zu schweigen davon, es schreiben zu lernen. Im neuzehnten Jahrhundert kamen mährische Missionare nach Surinam, um die Sklaven zu christianisieren. Sie lernten Sranan und stellten für das Sranan ein Wörterbuch und eine Grammatik zusammen.

1863 wurde in den niederländischen Kolonien die Sklaverei abgeschafft (in den englischen Kolonien geschah das 1833, in den französischen 1848). Man geht davon aus, dass im Lauf der Zeit mehr als 300.000 Sklaven aus Afrika nach Surinam gebracht wurden, Surinam hatte jedoch 1863 letztendlich nur 53.000 Einwohner.
Von 1863 bis 1873 standen die (ehemaligen) Sklaven unter 'Staatsaufsicht' – sie waren dazu verpflichtet, gegen Bezahlung zu arbeiten. Außerdem holten die Plantagenbesitzer neue billige Arbeitskräfte – Chinesen, Javaner und Inder – ins Land. Sie bilden heute die chinesische, die surinamisch–javanische und die Sarnami Sprachgemeinschaft.
Nach 1873 ging die niederländische Obrigkeit zu einer Politik der Niederlandisierug über, um das Land 'regierbar' zu machen und stärker an die Niederlande zu binden. 1876 wurde in Surinam die Schulpflicht eingeführt, und alle Kinder mussten Unterricht im Niederländischen erhalten. Mit der Niederlandisierung des Schulwesens ging ein fanatischer Kampf gegen das Sranan einher. Das Resultat war, dass das Niederländische zwar eine starke Position als Sprache des öffentlichen Lebens und des Unterrichts erwarb, das Sranan jedoch trotz aller Ausrottungsversuche die dominante Umgangssprache des Landes blieb. Nach der Unabhängigkeit Surinams 1975 gingen einige zehntausend Surinamer in die Niederlande. Die Rollenverteilung zwischen den Sprachen in Surinam (Niederländisch für offizielle Zwecke, Sranan als Umgangssprache) blieb auch nach der Unabhängigkeit bestehen.

Niederländisch auf den karibischen Inseln

Beispiele für niederländische Wörter im Papiamento:
belasting - belasting (Steuer)
belèg - beleg (Belag)
ber - beer (Bär)
bestèk - bestek (Besteck)
bestür - bestuur (Verwaltung)
bestuurscollege - bestuurscollege (Verwaltungsgremium)
bevolkingsregister - bevolkingsregister (Melderegister)
bewarskol - bewaarschool, kleuterschool (Kindergarten)
bezi - bezig zijn, het druk hebben (zu tun haben)
blar - blaar (Blase)
blek - bleek (blass)
blenk - blinken, glanzen (blinken)
blòkflùit - blokfluit (Blockflöte)
blòki - blok (Block)
blònt - blond (blond)
blos - blozen (erröten)
blou - blauw (blau)

aus: Dijkhoff (1980)

Die Niederländischen Antillen (Aruba, Bonaire, Curaçao, Saba, St. Maarten und St. Eustatius) waren bis 1954 eine niederländische Kolonie, seitdem sind sie ein autonomes Gebiet innerhalb des Königreiches. Die Insel Aruba verfügt außerdem seit 1986 über einen Sonderstatus ('Status Aparte'), sie ist ein separates autonomes Gebiet des Königreiches. Die Niederländischen Antillen haben zusammen ungefähr 256.000 Einwohner.

Die Niederländischen Antillen
Karte: Head at de.wikipedia (1.0)

Die sprachliche Zusammensetzung der ABC-Inseln und der SSS-Inseln ist sehr verschieden: auf den erstgenannten ist Papiamento die dominante Umgangssprache, auf den übrigen Inseln ist Englisch die Sprache der täglichen Kommunikation. Daneben ist Spanisch die Alltagssprache eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung.

Hörbeispiel aus den Nachrichten von TAMBU, einem Radioprogramm auf Papiamento

Papiamento ist eine Kreolsprache mit einer oder mehr Ibero-Romanischen Sprachen als ‘lexifier language’; daneben hat auch das Niederländische Spuren im Wortschatz des Papiamento hinterlassen – das gilt vor allem für die Terminologie auf dem Gebiet von Unterricht und Verwaltung, aber auch für alltägliche Wörter (das Wort für 'starkes Getränk' ist zum Beispiel ‘bebida sterki’, die Bezeichnungen für die Farben blau und gelb sind ‘blou’ beziehungsweise ‘gel’).

Nachrichten von Radio Nederland Wereldomroep auf Papiamento

Niederländisch ist als Sprache des Königreichs der Niederlande die offizielle Sprache der Niederländischen Antillen und von Aruba. Die tatsächliche Position ist jedoch nicht immer gleichermaßen deutlich: Niederländisch ist in jedem Fall die schriftliche Verwaltungssprache; die Sprache des mündlichen Verkehrs zwischen den verschiedenen Verwaltungsinstanzen ist dagegen oft Papiamento beziehungsweise Englisch. Auch in den Medien (vor allem im Radio) spielt das Niederländische eine inzwischen untergeordnete Rolle. Nur im Unterricht und vor allem im weiterführenden Unterricht ist Niederländisch noch immer die dominante Sprache.

Die Flagge der Virgin Islands
Flagge: Dave Johnston (1.0)

Auf den inzwischen unter amerikanischer Verwaltung stehenden Jungferninseln (Virgin Islands) wurde bis zum zweiten Weltkrieg das sogenannte Negerhollands gesprochen, eine Kreolsprache mit dem Niederländischen als ‘lexifier language’.

A: Morruk, cabé, huso ju be die frufru?
(Goeiemorgen, kameraad, hoe gaat ‘t vanochtend?/Guten Morgen Kamerad, wie geht es heute morgen?)

B: Dank, mi be fraj.
(Dank je, met mij gaat het goed./Danke, mir geht es gut.)

A: Huso ju slaap dunko? Ju ka drum enista fraj?
(Hoe heb je vannacht geslapen? Heb je wat moois gedroomd?/Wie hast du heute Nacht geschlafen? Hast du was Schönes geträumt?)

B: Mi no ha slaap fraj, mi ha ha pin na min tan, ma die fru die be mussie better, dank God.
(Ik heb niet goed geslapen, ik heb kiespijn gehad, maar vanochtend is ‘t, Goddank, veel beter./Ich habe nicht gut geschlafen, ich habe Zahnschmerzen gehabt, aber heute morgen ist es Gott sei Dank viel besser)

A: Ju aht to fo loop na die doctor fo trek die tan na bitte.
(Je zou naar de dokter moeten gaan om de kies te laten trekken./Du solltest zum Arzt gehen um den Zahn ziehen zu lassen)

B: Mi addu wak bitzji meer, fo kik as die tan sal pin mi weeran, dan mi sal loop fo trek die. (Ik wacht liever nog een beetje om te zien of de kies weer pijn gaat doen; dan zal ik hem laten trekken./Ich warte lieber noch ein bisschen, um zu sehen ob der Zahn wieder wehtut, dann werde ich ihn ziehen lassen.)

aus Hesseling, C.D., 1905, Het Negerhollands der Deense Antillen; entnommen aus De Vries (1994: 279)

Die WIC übernahm 1634 die Antillen von den Spaniern. Die Insel Curaçao wurde im Lauf des siebzehnten Jahrhunderts zu einem Zentrum des Handels mit afrikanischen Sklaven ausgebaut. Für die Verwaltung der Plantagen wurden vor allem Portugiesisch sprechende jüdische Plantagenarbeiter verpflichtet; manche hatten bereits als Plantagenarbeiter in den niederländischen Niederlassungen in Nord-Ost-Brasilien ihre Arbeit verrichtet. Die afrikanischen Sklaven bedienten sich zu einem großen Teil einer auf dem Portugiesischen basierenden Pidginsprache, die sie in den westafrikanischen Sklavendepots gelernt hatten. Ansonsten befanden sich auf den Inseln in der Anfangszeit einige hundert niederländische Kompaniebedienstete und Plantagenarbeiter und knapp hundert hispanisierte Indianer.
Das Papiamento, das aus dieser Sprachenkonstellation entstanden ist, hatte zweifellos eine Ibero-Romanische Sprache als 'lexifier language'. Ob es sich hierbei vor allem um Spanisch, Portugiesisch oder daneben auch um zum Beispiel Galicisch oder Katalanisch gehandelt hat ist hinterher schwer festzustellen. Als Substratsprachen werden westafrikanische Sprachen und die karibische Indianersprache Arawak vermutet. Auch hier ist eine nähere Bestimmung schwierig, da über die Grammatik dieser Sprachen (vor allem über die ihrer älteren Sprachstadien) kaum etwas bekannt ist.
Die Position des Niederländischen auf den Antillen war der WIC in der Anfangszeit gleichgültig. Erst im neunzehnten Jahrhundert realisierte man, dass das Papiamento die dominante Umgangssprache, auch eines großen Teils der weißen Bevölkerung, geworden war, und man begann, dieser Entwicklung aktiv entgegenzutreten. Die niederländische Regierung versuchte, über das Schulwesen das Niederländische zu verbreiten und Papiamento zurück zu drängen, das nicht als 'Sprache' sondern als 'patois' (Jargon) und damit als minderwertig betrachtet wurde.

Umgangssprachen auf den Niederländischen
Antillen und Aruba für 1991/92:

Papiamento Englisch Spanisch Niederländisch
Aruba 77% 9% 7% 5%
Bonaire 91% 4% 10% 7%
Curacao 91% 6% 7% 11%
Saba 3% 94% 6% 8%
St.Eustatius 5% 93% 7% 11%
St.Maarten 14% 76% 24% 17%

aus: Groeneboer (1997: 277)

Auch Ende des neuzehnten Jahrhunderts war es jedoch noch nicht gelungen, das Niederländische über alle Inseln zu verbreiten, vor allem auf den SSS-Inseln blieb Niederländisch für die meisten Bewohner eine fremde Sprache. Andererseits wurde die Beherrschung des Niederländischen durchaus immer mehr als Vorraussetzung für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Position angesehen.
Seit der Autonomieregelung von 1954 sind die Niederländischen Antillen und Aruba auf sprachlichem Gebiet autonom, sie könnten demzufolge ihre eigene Sprachpolitik betreiben. Darüber, wie diese Sprachpolitik in Zukunft aussehen soll, scheiden sich jedoch die Geister. Es gibt verschiedene Optionen: am Niederländischen als offizieller Sprache festzuhalten würde das Band mit dem Königreich verstärken, eine Forcierung des Papiamento wäre ein Symbol für eine stärkere regionale Identität, ein Zurückgreifen auf das Spanische oder das Englische würde der Integration in das karibische Gebiet zugute kommen.

Neben den Niederländischen Antillen gibt es noch eine andere Gruppe Inseln, auf denen das Niederländische Spuren hinterlassen hat: die Inseln St. Thomas, St. Jan und St. Kruis. Diese waren seit ungefähr 1700 im Besitz der Dänischen Westindischen Kompanie. Vor dem Eintreffen der Dänen hatten sich schon einige hundert niederländischsprachige (westflämische und seeländische) Plantagenarbeiter auf den Inseln niedergelassen, und es war schon eine auf dem Niederländischen basierende Pidginsprache im Gebrauch, das sogenannte Negerhollands. Diese Sprache war, wie man vermutet, mit niederländischen Plantagenbesitzern und ihren Sklaven von der Insel St. Eustatius auf die Dänischen Antillen gelangt. Im achtzehnten Jahrhundert kamen mährische Missionare auf die Inseln und beschäftigten sich mit dem Negerhollands, um die Sklaven im christlichen Glauben unterrichten zu können. Ihnen ist die gute Beschreibung des Negerhollands seit dem achtzehnten Jahrhundert zu verdanken. Bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts blieb Negerhollands die wichtigste Sprache auf der Insel St. Thomas, danach wurde es wie auf den zwei anderen Inseln größtenteils vom Englischen verdrängt.

Als Dänemark die Inseln 1917 an die Vereinigten Staaten verkaufte, sprachen nur noch ältere Menschen eine stark vom Englischen beeinflusste Variante des Negerhollands. Gegenwärtig bilden St. Thomas, St. Jan (Saint John) und St. Kruis (Saint Croix) zusammen mit ungefähr fünfzig kleineren Inseln die amerikanischen Jungferninseln.

Niederländisch in Ost- und Südostasien

Einige niederländische Lehnwörter im Singhalesischen (von insgesamt ca. hundert):
kèrekôppu - kerkhof (Friedhof), tarappe - trap (Treppe), doïtu - duit (Geld), bakki - bakje (kleiner Behälter), lâkke - laken (Laken), sukiri - suiker (Zucker)

Entnommen aus De Vries (1994: 258)

In Ost - und Südostasien spielt das Niederländische gegenwärtig so gut wie keine Rolle mehr. Von der jahrhundertlangen Präsenz der Niederländer in Indien, auf Ceylon, auf Formosa, in Japan und dem heutigen Indonesien zeugen heute vor allem niederländische Toponyme und aus dem Niederländischen entlehnte Wörter und Ausdrücke. Eine Straße im ceylonesischen Ort Galle heißt zum Beispiel ‘Leynbaanstreet’, das japanische Wort für ‘pomp’ (Pumpe) ist ‘ponpu’ und das Wort für ‘sleutel’ (Schlüssel) ist im Bahasa Indonesia ‘sletel’.

Nach der Unabhängigkeit von Indonesien 1949 wurde das Bahasa Indonesia (eine Form von Malaiisch) zur offiziellen Sprache des Landes erklärt. In bezug auf das Niederländische verfolgte man eine restriktive Politik. Heute wird Niederländisch nur noch von einer kleinen Gruppe aus der ehemaligen Elite gesprochen. Daneben hat es noch eine Funktion als 'Quellensprache', da Gesetzbücher und historische Dokumente nur auf Niederländisch zugänglich sind.

Die Mischsprache Petjoh, die ungefähr zwischen 1850 und 1949 von den Indo’s (oder Indoeuropäern), einer ethnischen Gruppe von gemischt niederländisch-einheimischer Herrkunft, gesprochen wurde, ist inzwischen nicht mehr in Verwendung. Nach dem Krieg wurde Petjoh noch von einigen Indos in den Niederlanden gebraucht. Von Tsjalie Robinson erschien in den siebziger Jahren ein Buch in Petjoh, mit dem Titel ‘Ik en Bentiet’.

Im Petjoh wurde ein hauptsächlich niederländischer Wortschatz mit einer malaiischen beziehungsweise javanischen oder sundanesischen Grammatik kombiniert. Es war keine Pidginsprache, die als Kommunikationsmittel zwischen Gruppen mit verschiedenen Muttersprachen diente, sondern eine Gruppensprache, die die Identität der Indos als separate Gruppe zum Ausdruck brachte.

Was ist 'Petjoh'? Petjoh ist/war eine (z.B.) javanisch-niederländische Mischsprache und es war eine Gruppensprache der Indos.

Fragment aus einem Artikel von RNW (Radio Nederland Wereldomroep) vom 11 September 2003 über den Mord an Anna Lindh auf Bahasa Indonesia:

Pembunuhan terhadap Menteri Luar Negeri Swedia Anna Lindh bukan hanya mengejutkan masyarakat Swedia tapi juga masyarakat luar negeri. Sejak Swedia menjabat ketua bergilir Uni Eropa 2001, masyarakat luar negeri mengenal menlu populer ini sebagai politikus bersemangat dan efisien yang tidak takut mengungkapkan pendapatnya.

Die niederländische Version des Berichts:

De moord op de Zweedse minister van Buitenlandse Zaken Anna Lindh heeft niet alleen de Zweden maar ook het buitenland verbijsterd. Sinds het Zweedse voorzitterschap van de Europese Unie in 2001 had de populaire minister ook in het buitenland naam gemaakt als een gedreven en efficiënte politica die geen blad voor mond nam.

Deutsche Version:

Der Mord an der schwedischen Außenministerin Anna Lindh hat nicht nur die Schweden, sondern auch das Ausland bestürzt. Seit dem schwedischen Vorsitz in der Europäischen Union 2001 hatte sich die populäre Ministerin auch im Ausland einen Namen gemacht, als eine leidenschaftliche und effiziente Politikerin, die kein Blatt vor den Mund nahm.

Mehr Nachrichten auf Bahasa Indonesia

Die VOC, die Vereinigte Ostindische Kompanie, (gegründet 1602) konkurrierte Anfang des siebzehnten Jahrhunderts mit den Portugiesen und Engländern um die Handelsposten in Ost-und Südostasien. Die Niederländer ließen sich unter anderem entlang der Küste von Indien, auf Ceylon, auf der Insel Formosa (dem heutigen Taiwan), auf Deshima, einer künstlichen Insel vor der Küste Japans, und im indonesischen Archipel nieder.
Mit ihrem 1641 auf Deshima gegründeten Handelsposten waren die Niederländer zwei Jahrhunderte lang die einzigen Abendländer, die mit Japan Handel treiben durften. Der Kontakt zwischen Japan und der westlichen Kultur und Wissenschaft verlief zu dieser Zeit ausschließlich über die niederländischen Handelspartner. Davon zeugen einige niederländische Lehnwörter im Japanischen für medizinische und technische Gegenstände wie ponpu (pomp - Pumpe), ransetto (lancet - Lanzette), renzu (lens - Linse) und porudaa (polder).

Auf Ceylon unterhielt die VOC zwischen 1656 und 1796 Niederlassungen. Auch hier zeugen Lehnwörter von der niederländischen Vergangenheit, die singhalesischen Wörter tarappe (trap - Treppe), bakki (bakje - Kästchen), sukiri (suiker - Zucker) en kèrekôppu (kerkhof - Kirchhof) sind Entlehnungen aus dem Niederländischen.

Bekannt sind die Niederlande vor allem für ihre Präsenz im Gebiet des heutigen Indonesiens. Jan Pieterszoon Coen gründete 1619 Batavia auf der Insel Java als Zentrum für den Handel der VOC im Osten. In der Anfangszeit stand der Gewürzhandel (Gewürznelken und Muskat) im Mittelpunkt, ab dem achtzehnten Jahrhundert verlegten sich die Niederländer auf das Anlegen von Kaffeeplantagen. Im Lauf des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts erweiterte die VOC ihr Machtgebiet durch militärische Aktionen und Allianzen mit einheimischen Fürsten.

Als 1799 die Vereinigte Ostindische Kompanie Bankrott anmeldete, übernahm der niederländische Staat ihre ostindischen Besitztümer und vergrößerte diese durch neue Eroberungen (große Teile von Sumatra, Teile von Borneo, und später auch Bali). Dennoch blieb Niederländisch-Ostindien ein unzusammenhängendes Gebiet ohne deutliche zentrale Verwaltung. Es war kein Stückchen niederländisches Territorium und Kulturgebiet, sondern vielmehr eine Ansammlung von Handelsposten, Plantagen und Militärposten. Man war vor allem darauf aus, durch Handel und den Abbau von Rohstoffen so viel Gewinn wie möglich zu machen. Erst ab Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts machten sich die Niederlande daran, ein Schul-und Gesundheitssystem aufzubauen und die Infrastruktur zwischen den Inseln zu verbessern.

Niederländisch in Soerabaja
Foto: Batigolix (CC BY-NC-SA 2.0)

Alles in allem waren die Vorraussetzungen für eine Verbreitung der niederländischen Sprache und Kultur äußerst schlecht – und von Seiten der kolonialen Obrigkeit war eine Verbreitung auch nicht ausdrücklich erwünscht. Die Beherrschung des Niederländischen sollte ein Vorrecht der weißen Bevölkerung (und einer kleinen einheimischen Elite) bleiben, um einer Emanzipation der Millionen Javaner, Sudanesen, Balinesen etc. vorzubeugen. Erst im zwanzigsten Jahrhundert wuchs die Anzahl Niederländischsprechender in Niederländisch-Ostindien von circa 5.000 im Jahr 1900 auf ungefähr 860.000 im Jahr 1942. Eine wichtige Vorraussetzung hierfür war, dass eine große Anzahl einheimischer Kinder zum Unterricht in der niederländischen Sprache zugelassen wurden. Alles in allem blieb die Gruppe der Niederländischsprechenden bei einer Gesamtbevölkerung von 70 Millionen eine deutliche Minderheit.

Im Lauf des neunzehnten Jahrhunderts führte die sprachliche und gesellschaftliche Situation in Niederländisch-Ostindien zum Entstehen des sogenannten Petjoh. Es wurde hauptsächlich von Kindern aus gemischten Verbindungen gesprochen, die von ihren asiatischen Müttern Malaiisch (oder eine andere in Niederländisch-Ostindien gebrauchte Sprache) gelernt hatten und von ihren europäischen Vätern oder durch die Schule über eine begrenzte Kenntnis des Niederländischen verfügten. Es wurde vor allem von Kindern (und wie oft behauptet wird, vor allem von Jungen) beim Spielen auf der Straße gebraucht. Petjoh war in erster Instanz eine Gruppensprache, die der gemischten Identität dieser indoeuropäischen Kinder Ausdruck verlieh. Charakteristisch waren ein zu einem großen Teil niederländischer Wortschatz, eingefügt in ein javanisches oder malaiisches phonologisches System und eine javanische Grammatik. Im folgenden Beispiel aus dem javanischen Petjoh (auch Javindo genannt) wird das niederländische Wort 'maken' in einer kausativen Konstruktion gebraucht: taq makenké bedeutet 'ik zal ervoor zorgen dat ze gemaakt zijn/worden'. Nach der Unabhängigkeit Indonesiens 1949 verschwand Petjoh aus der Sprachenlandschaft von Indonesien. In den Niederlanden wurde es bis in die siebziger Jahre von Indos gesprochen; Tsjalie Robinson hielt seine Sprache in den siebziger Jahren in dem Buch Ik en Bentiet fest.

Die offizielle Sprache von Indonesien wurde Bahasa Indonesia, eine Form des Malaiischen (obwohl die indonesische Elite und auch der erste Präsident von Indonesien, Sukarno, sich oft des Niederländischen bedienten). In bezug auf das Niederländische folgte man einer restriktiven Politik. Heute wird Niederländisch nur noch von einer kleinen Gruppe der ehemaligen einheimischen Elite gesprochen. Daneben hat es noch eine Funktion als ‘Quellensprache’, da Gesetzbücher und historische Dokumente nur auf Niederländisch zugänglich sind. Insgesamt bieten in Indonesien vier Universitäten Niederländisch als Fach an: in Jakarta, Makassar, Semarang und Yogyakarta.

Die 'indische' Vergangenheit ist in den Niederlanden heute noch deutlich spürbar. Nach dem Krieg verließen viele Niederländer Indonesien und kehrten in die für sie fremden Niederlande 'zurück'. Auch große Gruppen Indos ließen sich in den Niederlanden nieder. Als die 1950 ausgerufene Freie Republik der Süd-Molukken von Indonesien besetzt wurde, flüchtete eine große Zahl Molukker in die Niederlande. Die Übergabe von West-Papua, dem letzten Stück niederländischer Kolonie im Osten, hatte 1964 die Flucht einer kleinen Gruppe Papuas in die Niederlande zur Folge.

Das indische Niederländisch kann als eigene ethnische Variante in den Niederlanden betrachtet werden, und auch der durchschnittliche Niederländer hat zumindest indische Essgewohnheiten und die dazugehörigen Wörter übernommen: bami, nasi, sambal, kroepoek etc.

Niederländisch in Afrika

Das Afrikaans ist eine der offiziellen Sprachen von Südafrika. Es wird heute als eine eigene Sprache innerhalb der germanischen Sprachfamilie betrachtet. Enstanden ist das Afrikaans jedoch aus einer älteren Variante des Niederländischen. 1652 war Jan van Riebeeck in der Tafelbucht im äußersten Süden von Afrika gelandet, um dort im Auftrag der Vereinigten Ostindischen Kompanie (VOC) eine Niederlassung zu gründen, die als Proviantstation für die VOC-Schiffe auf ihrem Weg nach Südostasien dienen sollte. Fortan ließen sich niederländische Kolonisten am Kap nieder. Ihr Niederländisch des siebzehnten Jahrhunderts bildete die Basis für das heutige Afrikaans.

Gegenwärtig ist Afrikaans die Muttersprache von ungefähr sechs Millionen Menschen (von einer Gesamtbevölkerung von zirka vierzig Millionen). Außer in der Republik Südafrika wird Afrikaans auch im Nachbarland Namibia gesprochen. Das bekannteste Wort aus dem Afrikaans ist zweifellos das Wort 'Apartheid' für das System von Segregation und Diskriminierung, das 1948 durch die Afrikanische Nationale Partei (Afrikaanse Nationale Partij)eingeführt wurde. Bis heute wird Afrikaans von vielen als die Sprache der weißen Unterdrücker betrachtet; ein Image, dem man in den letzten Jahren dadurch entgegenzuwirken versucht, dass man für das Afrikaans als Sprache aller Südafrikaner Werbung macht. In jedem Fall ist Afrikaans heutzutage nicht nur die Sprache eines großen Teils der weißen Bevölkerungsgruppe, sondern auch eines großen Teils der schwarzen Bevölkerung.

Ist Afrikaans eine niederländische Kreolsprache? Darüber gehen die Meinungen auseinander: es wurde in jedem Fall von einer kreolisierten Form des Niederländischen, dem 'Hottentots-Hollands' beeinflusst.

Bekannt ist das Afrikaans auch für eine im Vergleich zum Niederländischen vereinfachte Grammatik. Afrikaans flektiert Verben nicht (vgl. ek /jy/hy/ons/julle/hulle werk; Infinitiv: werk), kennt keine Imperativformen, keine starken Verben und nur einen Artikel ( die ). Auf der anderen Seite hat das Afrikaans jedoch eine doppelte Verneinung (ek ken nie daardie man nie bedeutet 'ik ken deze man niet' -'Ich kenne diesen Mann nicht.') und Reduplikation als Wortbildungsprozess (plek-plek bedeutet zum Beispiel 'op sommige plaatsen' - 'an machen Orten'). Charakteristisch für den Wortschatz des Afrikaans sind einerseits Entlehnungen aus anderen afrikanischen Sprachen und dem Englischen (baie für 'veel' aus dem Malaiischen, iemand se been trek aus dem Englischen für 'iemand voor de gek houden' - 'jemanden zum Narren halten') und andererseits puristische Neologismen (lugreëling für 'airco' (Klimaanlage), snydokter für 'chirurg' (Chirurg)).

Ein Stück Text auf Afrikaans: ein Zeitungsartikel aus De Burger über den Mord an Anna Lindh:

Swede rou oor sy vermoorde minister

STOCKHOLM. - Die moord op me. Anna Lindh, Swede se minister van buitelandse sake, het dié land gister in rou en ongeloof gedompel, en wêreldleiers het hulde aan Lindh gebring.
By die ingang van die Karolinska-hospitaal waar dié 46-jarige ma van twee gister om 05:29 gesterf het, het die Sweedse vlag halfstok gehang. Besoekers het gehuil en rose, die simbool van Lindh se Sosiaal- Demokratiese Party, naby die vlagpaal neergelê. 'n Huldeblyk van jeuggroepe van politieke partye het gelui: 'Jy is in ons gedagtes, Anna Lindh.' 'Ek is uitgeput. Dit is verskriklik. Ek voel verlam in dié situasie,' het me. Ingela Tornqvist, 'n verpleegster, gesê. 'Sy was 'n vrou en ma en 'n goeie minister. Dit is so verskriklik.' Die mesaanval op Lindh in 'n winkel het ou wonde oor die sluipmoord op die premier mnr. Olof Palme in 1986 oopgekrap. Vir baie het dit die illusie verwyder dat Swede immuun is teen politieke geweld.
'Die rou, woede en wanhoop wat die moord tot gevolg het, is onbeskryflik,' het mnr. Alf Svensson, leier van die Christen- Demokratiese Party, gesê.

In Afrika unterhielten die Niederländer Handelsposten an der afrikanischen Goldküste, entlang der Küste des heutigen Angola und am südafrikanischen Kap. Von einer umfangreichen Kette Forts und Fabriken aus trieb die Westindische Kompanie (WIC) Handel mit Gold und mit Sklaven, die nach Südamerika und in die Karibik überführt wurden.

In Südafrika unterhielt die Vereinigte Ostindische Kompanie (VOC) eine Niederlassung, die 1652 von Jan van Riebeeck als Proviantstation für die Schiffe, die nach Indien fuhren gegründet wurde. In und um diese Niederlassung am Kap ließen sich erst Kompaniebedienstete und später Immigranten vor allem aus dem Süden der Niederlande, aus Flandern, aus dem deutschen Grenzgebiet und in der Folge auch französische Hugenotten nieder.
Sicher ist, das das oft südlich gefärbte Niederländisch des siebzehnten Jahrhunderts, dass von einem großen Teil der Kolonisten gesprochen wurde, den Ausgangspunkt für das heutige Afrikaans, eine der offiziellen Sprachen von Südafrika, bildet. Klar ist auch, dass die heutige Struktur des Afrikaans auch durch die große Gruppe Anderssprachiger, die im Laufe der Jahrhunderte Niederländisch lernten, mitbestimmt wurde. Darüber, wie diese Entwicklung genau verlief, gehen die Meinungen stark auseinander.
Ein plausibles Modell geht davon aus, dass anfangs von zwei Sprachvarietäten die Rede war: auf der einen Seite das ‘Kaaps-Hollands’, das von den weißen Kolonisten gesprochen wurde und das durch den Mangel an Kontakt mit dem Heimatland und unter dem Einfluss anderer Sprachen eine eigene Entwicklung durchmachte; und andererseits dem ‘Hottentots-Hollands’, einer kreolisierten Form des Niederländischen, die bei den ursprünglichen Bewohnern des Gebiets (den Hottentotten oder Khoekhoen und den Buschmännern oder San) und den eingeführten Sklaven und zwischen Kolonisten und Sklaven gebraucht wurde. Im Lauf der Zeit soll es zu einer Vermischung der beide Varianten gekommen sein und rund 1850 soll die Verschmelzung von Kaaps-Hollands und 'Hottentots-Hollands' zum Afrikaans vollendet gewesen sein.
Das bedeutet jedoch nicht, dass zu dieser Zeit die Rede von einer deutlich abgegrenzten Sprache mit einer deutlichen offiziellen Funktion war.
In seiner gesellschaftlichen Position war das Afrikaans vom Englischen bedroht, das ab 1795 die offizielle Sprache der Verwaltung, des Unterichtswesens und der Rechtssprechung in der Kapkolonie war. Die Sprachbewegung für das Afrikaans, die sich in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zu formieren begann, richtete sich daher auch deutlich gegen diese englische Verwaltung und die Bedrohung des Niederländischen durch die englische Sprache.

Sorgen machte sich die afrikanische Bewegung außerdem auch um den Zustand, in dem sich das Holländische befand. Man strebte anfangs sogar danach, das 'Nederduytsch', die Sprache der Statenvertaling, wiederaufleben zu lassen. Erst ab 1875, bei der Errichtung der 'Genootskap van Regte Afrikaners' (Genossenschaft aufrechter Afrikaner), richtete man sich auf die Förderung des Afrikaans. Mit 'Afrikaans' meinte die 'Genootskap' jedoch die Sprache der weißen Kolonisten, die so weit wie möglich frei von Einflüssen aus dem kreoliserten Afrikaans der Schwarzen gehalten werden musste. Die Diskussion über die Entstehungsgeschichte des Afrikaans und die damit verbundene Idee eines ‘weißen Afrikaans’ spielte im Lauf der Zeit eine wichtige Rolle in der südafrikanischen Gesellschaft. Das 'weiße Afrikaans' wurde des Symbol des südafrikanischen Apartheidstaates und wurde dafür von den Nicht-Weißen gehasst. Im post-Apartheids Südafrika wird gerade wieder darauf verwiesen, dass das Afrikaans keineswegs eine ‘weiße’ Sprache ist, da seine Wurzeln auch in einer unter einheimischen Stämmen und Sklaven gesprochenen Sprachvariante liegen und da es immer auch von der gemischtrassigen Bevölkerung gesprochen wurde.

Offizielle Anerkennung des 'Hollands' erreichte die Afrikanische Bewegung im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts durch massiven Druck und durch die Verbreitung einer stark nationalistischen Ideologie. 1914 wurde Unterricht in Afrikaans gestattet, und 1925 wurde ‘Hollands’ per Gesetz als offizielle Sprache anerkannt. 1940 wurde die Afrikanische Nationale Partei, der politische Arm der Afrikaner Bewegung, die stärkste Partei in Südafrika und führte 1948 das Apartheidsystem ein. Seit 1961 lautet der Name offiziell nicht mehr 'Hollands' sondern 'Afrikaans'. Das post-Apartheids Südafrika hat offiziell neun nationale Sprachen: Afrikaans, Englisch, Tsonga, Sesotho, Swazi, Tswana, Venda, Xhosa en Zulu.

Afrikaans wird heute als eigene Sprache betrachtet, die neben Niederländisch, Englisch, Deutsch, Friesisch und Jiddisch zu den westgermanischen Sprachen gehört. Für Sprecher des Niederländischen ist Afrikaans einigermaßen verständlich und relativ einfach zu lesen. Dasselbe gilt für Sprecher des Afrikaans, die Niederländisch hören oder lesen. Zusammenarbeit zwischen den beiden Sprachen besteht heutzutage hauptsächlich im Rahmen von sprach- und literaturwissenschaftlicher Forschung: In Europa sind universitärer Unterricht und wissenschaftliche Forschung zum Afrikaans im allgemeinen in die niederländischen Fachbereiche der jeweiligen Universitäten integriert.

Einen ersten Einblick in die verschiedenen Arten 'Übersee-Niederländisch' geben Kapitel 14 und 15 in De Vries (1993). Die sprachpolitische Entwicklung und aktuelle Situation in den (ehemaligen) niederländischen Kolonialgebieten wird näher beleuchtet in Groeneboer (1997). Für eine ausführliche Analyse der Geschichte von VOC und WIC ziehe Gaastra (1991) beziehungsweise Den Heijer (1994) zu Rate.
Nähere Informationen über die Struktur und die gesellschaftliche Rolle der verschiedenen Sprachen, die von den Bewohnern der ehemaligen niederländischen Kolonien gesprochen werden (Papiamento, Molukken-Malaiisch, Sranan, Sarnami, Surinamisch-Javanisch und surinamisches Niederländisch) gibt De Ruiter (1991). Das Petjoh wird behandelt in De Gruiter (1990, 1994) und Van Rheeden (1994).
Forschung zu verschiedenen Varianten des amerikanischen Niederländisch betrieben Daan (1987), Smits (1996) und Van Marle (1988) (siehe auch Van Marle/Smits in Klatter-Folmer/Kroon, 1997). Für verschiedene Aspekte von Emigration aus den Niederlanden und 'Emigranten-Niederländisch' ziehe Klatter-Folmer/Kroon (1997) zu Rate. Ein Experte auf dem Gebiet von Migrantensprachen ('community languages') in Australien (unter anderem Niederländisch und Deutsch) ist der Sprachsoziologe Michael Clyne (siehe z.B. Clyne, 1991 und 2003).
Über Spuren des Niederländischen außerhalb von Europa stehen auch Radio- und Fernsehreihen zur Verfügung. Sehr zu empfehlen ist eine auf Basis von De Vries (1993) erstellte Sendereihe über das Niederländische ('Het verhaal van een taal') die auch eine Folge über 'Nederlands Buitengaats' (also Niederländisch außerhalb der Niederlande) enthält. Eine Dokumentation über die Emigrationsgeschichte der Friesen ist 'It lân fan dream en winsken', eine Fernsehreihe des regionalen friesischen Rundfunksenders Omrop Fryslân. Übers Internet sind zwei Radiodokumentationen des VPRO über die Geschichte der VOC beziehungsweise WIC verfügbar.

Die in den Texten gebrauchten (Sprach)beispiele stammen aus den folgenden Publikationen:

Amerikanisches Niederländisch: Daan (1987), Video ‘Het verhaal van een taal’
Niederländisch in Australien: Clyne (1991)
Brief zum Kauf von Manna-hatta: De Vries (1993)
Tabellen mit Emigrationszahlen: Klatter-Folmer/Kroon (1997)
Merkmale des Surinamischen Niederländisch: De Vries (1993), De Ruiter (1991)
Beispiele Sranan: Trudgill (2003), Sordam/Eersel (1985)
Karte ‘Sprachen in Surinam’: De Vries (1993)
Tabelle ‘ Umgangssprachen auf den Niederländischen Antillen': Rutgers (1997)
Beispiele Papiamento: Dijkhoff (1980)
Beispiele Negerhollands: De Vries (1993)
Liste niederländischer Lehnwörter im Singhalesischen, Japanischen und im Bahasa Indonesia: De Vries (1993)
Fragment 'Ik en Bentiet': De Vries (1993)
Beispielsatz Petjoh: De Gruiter (1994)