Europa in sprachlicher Hinsicht
Wie es wurde, was es ist

The greatest and most important phenomenon of the evolution of language in historic times has been the springing up of the great national common languages – Greek, French, English, German, etc. – the ‘standard’ languages which have driven out, or are on the way to drive out, the local dialects.

Otto Jespersen
Mankind, Nation and Individual from a Linguistic Point of View, 1925, p. 45

Pfeil

DYLAN: Herausforderung 'Management of diversity'

  • Vielfalt der Standardsprachen in Europa
  • Minderheitensprachen
  • Migration und Sprache(n)
  • Globalisierung

Die größte und wichtigste Herausforderung für Europa in sprachlicher Hinsicht ist die Versöhnung der politischen Programmatik mit der sprachlichen Realität und den kulturellen und kommunikativen Bedürfnissen.

1 Zitat von Otto Jespersen

Der dänische Linguist Jespersen spielt hier auf die weltweit einzigartige Dichte von Nationalsprachen auf dem europäischen Kontinent an. Diese äußerst vielfältige Landschaft von Standardsprachen steht gleichzeitig auch für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung im 19./20. Jh., die sich Dank einheitlicher, überregionaler Kommunikationsräume in den unterschiedlichen Ländern herausbilden konnte. Jespersen stellt also den Prozess der Substitution von Sprachen und Dialekten durch die Verbreitung von europäischen Nationalsprachen als eine unabwendbare Folge der Standardisierung in Europa dar. Als Beispiele könnte man, etwa das Aussterben der kornischen Sprache in Großbritannien zu Gunsten des Englischen, den Rückgang des Ostfriesischen und des Niederdeutschen in Norddeutschland zu Gunsten des Hochdeutschen, das Verschwinden des Aragonesischen in Spanien zu Gunsten des Kastilischen oder das Verschwinden der Lingua Franca in Algerien zu Gunsten des Französischen, anführen.

Otto Jespersen (1860-1943)

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Im Verlauf der europäischen Geschichte zeigt sich wiederholt, dass die Sprecher ihren Sprachengebrauch mit ganz unterschiedlichen Erwartungen/Geisteshaltungen oder Absichten verknüpfen. Erstes Beispiel: Für die polnischsprachigen Eltern aus Wreschen (Provinz Posen/Preußen), die im Jahre 1906 einen Schulstreik ihrer Kinder gegen die preußischen Schulbehörden organisieren, steht die polnische Sprache sowie der Katholizismus im Mittelpunkt. In der Abwehrhaltung gegen einen Religionsunterricht in deutscher Sprache bekennen sich die Streikbefürworter zu einer national-polnischen Identität, die es um jeden Preis gegen eine preußisch-protestantische Obrigkeit zu verteidigen gilt. Zweites Beispiel: Die niederländischsprachigen Mütter und Väter aus dem Ort Volckerinckhove (Département Nord/Frankreich) unterzeichnen 1900 eine Petition gegen den Religionsunterricht auf Niederländisch. In dem Papier fordern die Eltern, dass der kirchliche Unterricht künftig auf Französisch stattfinden solle. Für die Eltern steht hier nicht die religiös-nationale Zugehörigkeit, sondern die beruflichen Aufstiegschancen der Kinder, die ihrer Ansicht nach mit einem Französischerwerb besser verwirklicht werden können, im Mittelpunkt. Daran lässt sich ablesen, dass die Menschen fallbezogen entscheiden, in dem einen Fall decken sie kulturell/identitäre und in dem anderen Fall kommunikativ-ökonomische Bedürfnisse ab. Eine künftige europäische Sprachpolitik steht also vor der Herausforderung, die unterschiedlichen sprachlichen Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen.

Gruppenbild von Teilnehmern des Streiks, wie es auf einer Propagandapostkarte versandt wurde

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3 Kontinuum lokaler Dialekte

Im Mittelalter finden wir neben dem Lateinischen eine kaum zu beziffernde Anzahl von Dialekträumen mit fließenden Übergängen. Sprachgrenzen, die mit Landesgrenzen übereinstimmen, so wie wir sie gegenwärtig in Europa vorfinden, waren im Mittelalter eher eine Seltenheit. Viel wichtiger als die Sprachgrenzen waren die Herrschafts- und Religionsgrenzen.

Das Lateinische diente seit dem Untergang des Weströmischen Reiches als prestigereiche Schriftsprache für Klerus und Verwaltung. Eine Ausnahme war dabei der maurisch beherrschte Teil der Iberischen Halbinsel, denn dort war bereits vorher das Arabische als Schriftsprache an die Stelle des Lateinischen getreten. In Osteuropa nahmen das Griechische, das Kirchenslawische sowie das Osmanisch-Arabische eine ähnlich Rolle wie das Lateinische in Westeuropa ein.

Das Bild (rechts) aus dem Sachsenspiegel (13. Jh.) erzählt von der Gründung einer deutschsprachigen Landbesiedelung im östlich der Elbe gelegenen Siedlungsgebiet der slawischen Wenden. Links oben übergibt der Grundherr eine Urkunde an den Dorfmeister. Links unten wird ein Slawe mit verschränkter Armbewegung, kurzer Haartracht und mit Beinriemen gezeigt. Seine Armbewegung macht deutlich, dass er für die Verständigung mit den Siedlern zunächst auf Gebärden zurückgreift. Die Zweisprachigkeit war also Teil des Alltags, die gemeinsame Religion blieb jedoch bis zur Reformation der Katholizismus. Mit dem aufkommenden Protestantismus (16.Jh.) bilden sich erstmals Religionsgrenzen, weil ein Teil der Wenden katholisch bleibt.

4 Latein als Lingua Franca

Im Mittelalter, in der Neuzeit bis in das 18. Jh. spielte das Lateinische eine übergeordnete Rolle als europaweite Sprache der Gelehrsamkeit, der Diplomatie, des Klerus und der Politik. Das in erster Linie schriftlich verwendete Latein war sowohl im Mittelalter als auch später immer eine Sprache ohne muttersprachliche Sprecher, dafür verfügte es über eine große räumlich-zeitliche Reichweite. Für die Entwicklung der europäischen Standardsprachen, vor allem der Literatur, war das Lateinische der wichtigste Prototyp. Auch nachdem sich die Standardisierungsprozesse in den Landessprachen immer stärker fortsetzen, kann sich das Lateinische noch lange behaupten. In Frankreich, wo das Französische ab dem 16. Jh. auch als Sprache der Wissenschaft gewisse Fortschritte machte, blieb Latein beispielsweise bis 1789 die Unterrichtssprache der im ‚Quartier Latin‘ gelegenen Pariser Universität Sorbonne.

5 Karl V.

Die verschiedenen Versionen von Sprachanekdoten des Habsburger Kaisers Karl V., der am frankophonen Hof von Brabant aufwuchs, haben in diesem Kontext eine gewisse Bekanntheit erlangt, denn wenn man einmal von den landsmannschaftlichen Stereotypen absieht, so illustrieren sie insgesamt eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit der früheuropäischen Mehrsprachigkeit. So soll der Habsburger wiederholt erklärt haben, wenn er mit Gott sprechen müsse, werde er Spanisch sprechen, da die Sprache der Spanier Würde und Majestät zeigt. Mit Freunden spreche er Italienisch, weil das Idiom der Italiener ihm vertraut sei. Wenn jemandem zu schmeicheln sei, spreche er Französisch, weil es nichts Milderes als diese Sprache gibt. Wenn er aber mit jemandem in drohender Weise oder mit ziemlich barschem Ton zu reden habe, dann spreche er Deutsch, weil die Sprache der Deutschen ganz und gar drohend, barsch und heftig sei.

 

Abb.: Porträt des zukünftigen Kaisers Karl V. im Kreis der (europäischen) Verwandtschaft

v.l.n.r.: Kaiser Maximilian I. mit Sohn Philipp dem Schönen, seiner Gattin Maria von Burgund, seinen Enkeln Ferdinand I., Karl V. und seinem Schwiegerenkel Ludwig II.

6 16. und 17. Jh./Anfänge der Standardisierung

Die Standardisierung der europäischen Landessprachen macht im 15./16. Jh. durch die Bibelübersetzungen (Hus, Luther, Calvin, Agricola) in die verschiedenen Volkssprachen einen großen Entwicklungsschritt durch.

Zweifelsohne hatte die Übersetzung der lateinischen Bibeltexte (16. Jh.) durch Martin Luther und Jean Calvin in die jeweiligen Landessprachen (Deutsch, Französisch) nicht nur den Vorteil, dass die Gläubigen mittels Vorleser oder Selbststudium sich die heiligen Texte selbst erschließen konnten, sondern die Drucker erhielten auch Gelegenheit, ihre Erzeugnisse weiter zu streuen und zu vermarkten.

7 Entstehung von Sprachbewusstsein

Neben der technischen Innovationen wie der Erfindung des Buchdrucks und der beginnenden Reformationsbewegung (Hus, Luther, Calvin, Pedersen) im 15./16. Jh. kommt es bereits in der Renaissance bei den Humanisten zu einem neuen Sprachbewusstsein (Burke 2004). Neben den antiken Lateinformen, Griechisch, Hebräisch/Aramäisch und Arabisch widmen sich die Gelehrten, z.B. die Dichter Dante und Du Bellay, auch den eigenen Landessprachen. Auch wenn im 16. Jh. das Lateinische als Schriftsprache nach wie dominierend ist, versucht eine kleine Elite von Königen, Druckern, Denkern und Predigern die Landessprachen nach dem lateinischen Vorbild zu strukturieren und für den Gebrauch aufzubereiten und zu regeln. Es entstehen erste gedruckte Grammatiken und Orthographiewerke, so die Grammática castellana (1492) und Orthographia bohemica (1409).

 

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8 Französisch als Sprache von Aristokratie und Diplomatie

Das Französische stieg ab dem 17. Jh. zur dominierenden Verkehrssprache in Europa auf und verdrängte somit das Lateinische. In den Bereichen Diplomatie, Literatur und Wissenschaft konnte sich das Französische als europäische Sprache mit universellem Anspruch sowie als Sprache der europäischen Aristokratie bis etwa zum Ersten Weltkrieg behaupten. Auch das Deutsche (neben dem aufstrebenden Englischen) erlangte im Verlauf des 1Jahr9. und zu Beginn des 20. Jh. den Status einer internationalen Wissenschaftssprache. Aufgrund der beiden Weltkriege vollzieht sich insgesamt ein sprachlicher Wandel zu Gunsten des Englischen in Europa.

 

Abb.: Der Friedensvertrag von Rastatt (1714) war erstmals in Französisch statt Latein abgefasst

9 Muttersprache als Medium für Bildung und Religion

Im 16./17. Jh. dienten einige europäische Volkssprachen wie das Niederländische oder das Deutsche als Zielsprachen für das Übersetzen der ehedem lateinischen Bibeltexte. Luthers Texte (1533) übten z.B. einen großen Einfluss auf die Schreibung des Deutschen aus. Auch einige Monarchen wie etwa König Alfons der Weise (13. Jh.) für das Kastilische (Spanische) oder Franz I. (Ordonnanz von Villers-Cotterêts von 1539) für das Französische förderten die Verbreitung ihrer jeweiligen Landessprachen, indem sie entweder Übersetzungen in Auftrag gaben oder indem sie die Muttersprache als Sprache der Justiz bindend, vorschrieben. Der Begriff Muttersprache (‚materna locutio‘) erscheint zum ersten in den Texten des italienischen Autors Dante. Bei Dante meinte der Begriff ursprünglich nicht die kultivierte, sondern die ordinäre Art des Sprechens. Ab dem 19. Jh. steigt die korrekte und regelkonforme Vermittlung der ‚Muttersprache‘ nicht nur zum wichtigsten Bildungsziel der Volksschule auf, sondern sie wird auch zum nationalen Symbol der Verständigung und Zugehörigkeit zu einem Staatsvolk.

Dante Alighieri
(1265-1321)

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Villers-Cotterêts
(1539)

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Französische Revolution (1789)

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10 Entstehung einer Standardsprachenideologie

Der Sprachwissenschaftler James Milroy (2001) beschreibt Standardisierung allgemein als eine Unveränderlichkeit und Einheitlichkeit von Sprache. Es geht um minimale Variation der Form und maximale Breite in den Verwendungsmöglichkeiten einer Varietät. „The dominant ideology of language in Europe today is 'standard language'. It simultaneously shapes and hides many of the actual practices of speakers, especially minorities and migrants.“ (Gal 2009: 14)

11 18.-20. Jh.: Entstehung der Nationalsprachen/nationale Einsprachigkeit

Das 18./19. und 20. Jh. mit seinen zahlreichen Umbrüchen und Kriegen (Französische Revolution, Napoleonische Kriege, Deutsch-Französischer Krieg sowie die beiden Weltkriege) war auch für die europäische Sprachentwicklung ein Zeitalter der Veränderung. In diesen Perioden konnte sich auch erstmals flächenmäßig die Einsprachigkeit auf Kosten der Mehrsprachigkeit durchsetzen. Durch die Entstehung von neuen Nationalstaaten wurden die Nationalsprachen mitbefördert und verbreitet. Mit der Einführung von Volksschulen fand erstmals großflächig und obligatorisch eine Beschulung in der ‘Muttersprache’ statt (1881/82: laizistische und kostenlose Volksschule in Frankreich). Die allgemeine Wehrpflicht, die aufblühende Industrialisierung, eine nationale Presse sowie national definierte Wirtschaftsräume trugen zur weiteren Durchsetzung der Nationalsprachen bei. Häufig lautete die Devise daher: Die Einheit von Nation und Territorium geht einher mit der Einheit der Nationalsprache.

Bertrand Barère (1755-1841)

“La République, une et indivisible dans son territoire, dans son système politique, doit être une et indivisble dans son langage.”
(Rede vor der Nationalversammlung, 1794)

Ernst Moritz Arndt (1769-1860)

„Sein Vaterland muß größer sein. Was ist des Deutschen Vaterland? So nenne mir das große Land! So weit die deutsche Zunge klingt Und Gott im Himmel Lieder singt, Das soll es sein!“
(Des Deutschen Vaterland, Lied, 1813)

John Stuart Mill (1806-1873)

„free institutions are next to impossible in a country made up of different nationalities. Among a people without fellow-feeling, especially if they read and speak different languages, the united public opinion, necessary to the working of representative government, cannot exist.”
(The Representative Government, 1861)

12 Entstehung von Mehrsprachigkeitsbewusstsein

Unser heutiges Verständnis für sprachliche Verschiedenheit und europäische Mehrsprachigkeit entspricht einer noch relativ neuen und sprachtoleranten Einstellung, die im 19./20. Jahrhundert wurzelt. Die bildungspolitische Forderung nach einer Aufwertung/Förderung von Mehrsprachigkeit wird erstmals 1870 in kollektiver Form (Pétition pour les langues provinciales) für das Bretonische, Baskische, Okzitanische, Niederländische, Deutsche, Italienische und das Katalanische in Frankreich gestellt. Die Rückbesinnung auf die kleineren und bedrohten Sprachen Europas ist zum einen eine Reaktion auf die als übermäßig empfundene sprachliche Vereinheitlichung im Rahmen der Standardisierung der europäischen Sprachen. Und zum anderen handelt es sich um eine Reaktion hinter der sich das Bedürfnis versteckt, eine historisch-sprachliche Rechtfertigung für die Herkunft der bürgerlich-nationalen Eliten der noch jungen Nationalstaaten zu finden. Beispiel: Das revolutionär/republikanische Bürgertum im Frankreich des 19. Jh. fördert die Keltologie, um sich so seiner „gallischen“ Abkunft vergewissern zu können. Diese Suche nach den mythischen Wurzeln der Nation ist häufig sehr irreführend, wie die berühmte Fälschung des angeblich gälischen Ossian-Epos (1760) durch Macpherson zeigt.

Quelle: Scan, Moliner (2011).

13 Mehrsprachigkeit der Elite vs.
Mehrsprachigkeit als Unterschichtsphänomen

Der Linguist Jaspers (2009) unterscheidet sozial zwei Formen von Mehrsprachigkeit, die wir auch im Laufe der europäischen Geschichte immer wieder antreffen: Die elitäre sowie die populäre. Erstere bezeichnet mehr eine Gruppe von wohlhabenden Menschen, die das Lernen mehrerer Sprachen als eine Art Hobby ansehen oder, die es beruflich (Diplomaten, Manager) benötigen. Typisch ist dabei auch der formelle Erwerb, also über Schulen und Universitäten. Allgemein wird diese Form als ‚reine‘ Mehrsprachigkeit, wo Wert auf die korrekte und möglichst umfassende Beherrschung mehrerer ‚Standardsprachen‘ gelegt wird, wahrgenommen. Zweitere betrifft mehr die sozial niederen Teile der Gesellschaft, die nur über eine lückenhafte Schulbildung verfügen. Oft entspricht populäres Mehrsprachigsein einer ökonomisch-beruflichen Notwendigkeit oder es geht um eine familiär weitergegebene Sprache, z.B. als spezialisierter Handwerker oder als Migrant der zweiten Generation. Das Erlernen findet überwiegend informell (familiär, situativ), bedarfsorientiert (partiell) und mündlich statt. Aspekte wie Verstehbarkeit und Natürlichkeit sind hier wichtig. Historisch fällt auf, dass die elitäre Mehrsprachigkeit mehr Ansehen als die populäre genießt, auch gegenwärtig konzentriert sich die staatliche Förderung überwiegend auf die elitäre Gruppe. Heute beobachtet man zunehmend eine EU-interne/globale Transmigration von Menschen mit mehreren Lebensmittelpunkten, die die Gastgebersprachen oft nur partiell verstehen und sich mit Englisch verständlich machen. Trotz lückenhafter Sprachkenntnisse werden diese Migranten (oft sind es Angehörige der Mittelklasse, deshalb nennt man sie auch middling transmigrants) im Unterschied zu außereuropäischen Migranten/Flüchtlingen überwiegend positiv bewertet.

Prinz Eugen von Savoyen, General, (1663-1736) konnte Französisch, Italienisch und Deutsch.

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ERASMUS-Programm für Studenten im gegenwärtigen Europa

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Schweizer Garde

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14 “The weak are always more likely to be bilingual than the strong”, Joshua Fishman

Der amerikanische Sprachwissenschaftler Joshua Fishman macht deutlich, dass die Zweisprachigkeit häufig ein Indikator für die soziale Herkunft ist. In räumlich geschlossenen, sozialen Netzwerken, in denen mehrere Sprachen oder Standard/Dialekte gleichzeitig verwendet werden, kann man nach Gumperz (1982) besonders häufig Merkmale wie niedriges Einkommen und/oder schlechteres Bildungsniveau zuordnen. Als Beispiel sei hier das österreichische Gail-Tal mit seinen deutsch-slowenischsprachigen Bewohnern erwähnt, wo man mit der Öffnung des Arbeitsmarktes in den 1970er Jahren einen Rückgang der Zweisprachigkeit und eine Annäherung an das Standarddeutsche beobachten konnte. Der Ethnologe Arnold van Gennep geht 1911 so weit, einen allgemeinen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Anpassung an einen Standard zu unterstellen: „Et cette loi de concordance entre les formes de la production et le mode de langue est si nette que partout où vous voyez un patois prédominer sur une langue nationale, vous pouvez affirmer un moindre développement économique“ (Gennep 1911: 417). Und dieses Gesetz der Übereinstimmung zwischen Produktionsformen und Sprache ist so klar, dass man es überall, wo ein Dialekt stärker ist als die Nationalsprache, sehen kann, dass die Wirtschaftsentwicklung schlechter ausfällt.

Joshua Fishman (*1926)

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Arnold van Gennep (1873-1957)

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John J. Gumperz (1922)

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15 20./21. Jh. Europa: Politische Einigung in sprachlicher Vielfalt

Einiges spricht dafür, dass die Gründung (1950er Jahre) der Europäischen Gemeinschaft (EG) nach dem Zweiten Weltkrieg sowie 1992 die Weiterentwicklung zu einer Europäischen Union (EU) nach dem Fall der Mauer die Idee von einem mehrsprachigen Europa vorangebracht haben. Jeder EU-Bürger hat grundsätzlich im Kontakt mit EU-Instanzen das Recht, sich in seiner Amtssprache zu verständigen. Er oder sie kann verlangen, dass man ihm in seiner Amtssprache antwortet. EU-intern wird in der Regel auf die drei Arbeitssprachen Englisch, Französisch und Deutsch zurückgegriffen.

Durch die EU-Osterweiterung sind erstmals auch slawische Sprachen wie das Polnische, Slowakische oder das Slowenische hinzu gekommen. Weitere Sprachen wie das Irisch-Gälische oder das Maltesische haben seitdem den Bestand auf insgesamt 23 Amtssprachen erweitert.

Auf Initiative des Europarats, dem heute auch nicht EU-Länder wie Russland, Türkei , Aserbaidschan und Armenien angehören, wurde 1992 die Europäische Charta der Minderheiten- und Regionalsprachen vorgelegt. Die Charta wurde seitdem von der Hälfte der Beitrittsländer ratifiziert. Kleinere Sprachen wie das Saterfriesische, die Sami-Sprachen oder das Galicische konnten so besser gefördert werden.

Auch wenn die meisten Schüler in Europa heute Englisch als erste Fremdsprache wählen, ist das Englische nicht Europas Universalsprache. Bislang definiert sich Europa offiziell als eine mehrsprachige Union von ein- bis mehrsprachigen Ländern. Gemeinsam greift man aber oft auf die Arbeitssprachen bzw. auf das Englische als Verkehrssprache zurück. Manche sprechen hier auch von Englisch als neuer Lingua Franca (ELF).

16 EU, politisches Ziel: Individuelle Mehrsprachigkeit (1+2)

Besonders seit den 1990er Jahren (z.B. Weißbuch Lehren u. Lernen sowie Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit, 2005) hat sich die EU-Kommission dazu entschlossen die individuellen Sprachkenntnisse der EU-Bürger zu fördern. Die Mehrsprachigkeit wurde u. a. als „wesentliches Element“ der europäischen Identität bezeichnet. Das Ziel sollte sein, dass jeder Bürger zusätzlich zu seiner Muttersprache zwei Gemeinschaftssprachen (Muttersprache+2) lernt.

Die 2008 von der EU beauftragte ‚Intellektuellengruppe für interkulturellen Dialog‘ hat zudem den Vorschlag gemacht, dass die jungen Europäer künftig neben der Muttersprache, eine internationale Verkehrssprache (Englisch, Chinesisch) sowie eine persönliche ‚Adoptivsprache‘ (z. B. eine Regionalsprache oder eine Sprache ihrer Wahl) erwerben sollen.

Das 2001 von der EU und dem Europarat gestartete Jahr der Sprachen sollte das gesamtsprachliche Spektrum Europas hervorheben und den Erhalt der Vielfalt in all ihren Facetten betonen.

Von 2007 bis 2010 gab es unter Leonard Orban sogar ein eigenständiges EU-Kommissariat für Mehrsprachigkeit. Das ist jedoch passé, seit 2010 wurde Mehrsprachigkeit wieder dem Kommissariat für Bildung und Jugend angegliedert.

2001 war das Europäische Jahr der Sprachen

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17 DYLAN: Herausforderung 'Management of Diversity'

Das Integrierte EU-Projekt DYLAN (Language dynamics and management of diversity) hat sich, u. a. mit den historischen Aspekten, mit dem Thema ‚Handhabung der sprachlichen Vielfalt in Europa‘ auseinandergesetzt.

Es gibt vier sehr unterschiedliche Aspekte, mit denen man das Feld der Mehrsprachigkeit aufgliedern kann:

Vielfalt der Nationalsprachen: In den meisten Fällen meint man damit die Vielfalt der europäischen Standardsprachen (Dialekte, Regionalsprachen, künstliche Sprachen oder nicht territoriale Sprachen blieben lange Zeit unbeachtet).

Vielfalt der Regional- und Minderheitensprachen: z.B. Okzitanisch, die Sami-Sprachen, Sinti und Roma-Sprachen, Sorbisch.

Vielfalt der Migrationssprachen: Hiermit sind die Sprachen der jüngsten, außer- und innereuropäischen Migration gemeint. Z.B. Türkisch oder Albanisch.

Globalisierung: Das Entstehen einer neuen Lingua Franca (z. B. Englisch). Die Auswirkungen durch die zunehmende Verbreitung des Englischen auf die jungen und alten Nationalsprachen (z. B. die Auswirkungen eines Verlusts von Sprachdomänen).

Vielfalt der Nationalsprachen

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Vielfalt der Regional- und Minderheitensprachen

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Vielfalt der Migrantensprachen

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Globalisierung & Europas sprachliche Vielfalt

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